Kapitel
I.
Die
Prophezeiung
Es war ein fürchterlicher
Spätsommerabend in der Stadt Edinburgh: Klirrende Kälte und pfeifender Wind
durchströmten die Dunkelheit. Xera, ein 13 jähriges Mädchen, saß mit ihrer
Familie am Kamin und lauschte der stillen Nacht. Bis auf das leise Knistern im
Kamin war nichts zu hören. Die Mutter schaute Xera
an, zuckte zusammen, als ein großes Holzscheit auseinander barst.
Kurz schaute die Mutter auf ihre goldene Armbanduhr, darauf eilte sie rasend in
ihr Zimmer.
„Was macht sie da?“, fragte Xera, während sie gierig ein Erdbeereis verschlang.
Plötzlich erschien die Mutter mit ihren Arbeitsklamotten am Türeingang.
„Ich muss noch etwas holen, was ich bei der Arbeit vergessen habe... Seid ihr
so lieb und kocht für mich?“, sagte sie, während sie rasch die Schlüssel für
das Auto holte.
Schnell stürmte die Mutter zum Auto.
Dann machte sie an der Tür Halt, ging zurück und gab dem Vater einen Kuss,
bevor sie aus dem Flur verschwand…
Vom Vater ging keine Antwort aus. Er beobachtete ein Foto, das auf dem
Ebenholzschrank lag und in einem mit Gold verziertem Fotorahmen steckte, das
mit kleinen Engeln an beiden Seiten wie ein wichtiges Bild wirkte.
„Wer ist das auf dem Foto?“, fragte Rando staunend und zugleich voller
Interesse.
Der Vater nahm seinen dunkelbraunen Hut ab, den er
immer trug, der seine kurzen, schwarzen Haare verdeckte.
„Das sind wir…“, murmelte er, „als wir geheiratet haben...“
„Ihr? Ihr seht auf dem Foto anders aus.“
„Es war eine Traumhochzeit. Wie schön sie tanzt...
Nie hätte ich mir erträumen können, dass eure Mutter mich heiraten würde. Ich
konnte nichts, was sie konnte. Meine Noten waren früher auch nicht gut, aber
ich mochte sie. Ich mochte sie schon immer…“, schluchzte er, glitzernde Tränen
liefen seine schmalen Wangen hinunter, „sie ist wundervoll und das zeigt sie
mir ständig. Heute ist unser Hochzeitstag und, und, und sie hat ihn vergessen…“
Schließlich fiel er Xera trauererfüllt in die Arme.
Xera merkte tief im Inneren, dass es ihn belastete. Sein stressiger Job als
Reisekaufmann und jetzt noch das.
Sie wusste, die beiden waren unzertrennlich. Streit gab es schon oft, doch nur
aus Streit wurden sie immer fester mit einander verbunden.
Elf glückliche Hochzeitstage und der Zwölfte, vergessen, in der ewigkalten
Nacht…
Das setzte sehr nach. Sie spürte, wie es ihren Vater verletzte. Sie wusste,
innere Wunden sind nicht leicht heilbar, aber dennoch versuchte sie, es über
den Abend hinweg zu vergessen.
Rando
ging es auch nicht besser als seiner Schwester. Er dachte nach, das erste Mal
seit langem wieder.
In Edinburgh brach langsam Nacht ein und ein kalter Windzug strömte durch das
Fenster ins Wohnzimmer. Xera schaute nach draußen. Fast alle Lichter waren aus,
nur vereinzelt sah sie Lichter in kleinen Fenstern auf der anderen
Straßenseite. Dann bemerkte sie noch, wie ein Polizeiwagen ein anderes Auto
verfolgte und das Auto nach rechts abbog. In der Dunkelheit war außer den
Lichtern nichts zu erkennen. Ging es ihrer Mutter Sarah gut? Dann fiel Xera ihr
Amulett ein. Es war ihr einziger, vertrauter Glücksbringer. Ein silberner Rand
verzierte es, in der Mitte des Amuletts war eine kleine Katze abgebildet.
Rando und der Vater wollten bereits schlafen gehen, es war schon spät.
„Kommst du auch, Xera?“, fragte Rando sie, doch er bekam keine Antwort und ging
in sein Zimmer. Sie legte sich sanft auf das Sofa, sie hörte alles dumpfer und
leiser; ihre Augen schienen sich nicht mehr offen halten zu können; dann
verfiel sie in einen tiefen Schlaf. Ein Schlaf, aus dem sie nicht mehr so leicht
entkommen konnte…
Plötzlich wachte sie inmitten eines kleinen Bauernhofs, das in einer
idyllischen Wiesenlandschaft lag, auf. Gänseblümchen schmückten die Weide.
Eigenartiger Geruch umhüllte ihre Nase, es roch nach frisch gebackene Brötchen.
„Wo, wo bin ich nur? Ich war doch grade noch im – Wie bin ich jetzz hierher
gekommn?“, fragte Xera sich selbst, ein wenig irritiert und erschrocken.
Angezogen von dem sanften Duft, machte sie sich auf dem Weg dorthin. Ein paar
Kühe grasten auf der Weide und fraßen in kleinen Abständen große Portionen an
Gras. Hin und wieder vernahmen Xera’s Ohren, die von ihren schulterlangen,
dunkelbraunen Haaren bedeckt waren, leises Vogelgezwitscher.
„Was ist das?“, dachte sie, als eine riesige Gewitterwolke auf sie zukam. Alles
wurde kalt, die Pflanzen erstarrten und plötzlich hörte sie einen Schrei – Es
riss sie aus dem Schlaf und ließ ihr es eiskalt über den Rücken laufen.
„Wer….we-er, weer war das?“
Sie versuchte weiter zu schlafen, aber vergeblich. Sie konnte nicht mehr die
Augen schließen. Der Schrei wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen.
Müde und verkrampft
wachte Xera am nächsten Tag auf. Es war Samstag, leises Gezwitscher erfüllte
die kühle Morgenluft mit einem wunderschönen Klang. Angst hatte sie nach diesem
Traum immer noch.
Kein Traum hat sie an solche Grenzen gebracht wie dieser. Es war eine neue Art
von Traum, kein Albtraum, schlimmer, es war real. Sie fragte sich immer wieder,
wer im Traum geschrien hatte. Keine ihr bekannte Stimme konnte das sein.
Ihre Eltern hatten an diesem Tag viel zu tun, ihre Mutter musste für eine
Besprechung weg, ihr Vater sollte den Chef der Reiseagentur vertreten.
Es gab also keine Möglichkeit mit jemanden zu reden, außer Rando.
Danke für Vorschläge zum Verbessern!